So schlägt das Herz von Ragusa

Camille Bloch, der familiengeführte Chocolatier aus dem Berner Jura, behauptet sich seit 80 Jahren gegen die Grossen der Branche. Dank gezielter Markenpflege, neuen Produkten und einer nachhaltigen Geschäftspolitik.

Aussen kantig, innen zart: Ragusa, der eckig geschnittene Riegel mit Pralinéfüllung und ganzen Haselnüssen, ist der Star von Chocolats Camille Bloch. Das Produkt steht wie ein Fels in der Brandung des Schokolademarkts. Allerdings zeichnete sich vor Jahren eine Erosion ab: «Bei den Jungen geriet die Marke etwas in Vergessenheit», sagt Regula Gerber, die bei Camille Bloch die Kommunikation betreut. Man reagierte und gab Ragusa ein junges Gesicht in der Person von Lara Gut, derzeit die beste Schweizer Skirennfahrerin.

Überzeugt vom eigenen Weg
Der Schokoladefabrikant ist Lara Guts Hauptsponsor seit 2011. Damals suchte die Tessinerin neue Geldgeber und Camille Bloch eine Markenbotschafterin. «Lara und wir, das passt zusammen», meint CEO Daniel Bloch, der das Unternehmen in der dritten Generation führt. «Lara hat eine starke Persönlichkeit mit Ecken und Kanten, wie Ragusa.» Es gebe auch sonst Parallelen. «Uns beiden ist die Familie sehr wichtig; und wir gehen – wie Lara – unseren eigenen Weg.»

Der eigene Weg des Chocolatiers beginnt 1929. Firmengründer Camille Bloch verlässt seinen Brötchengeber Chocolat Tobler in Bern und beginnt selber mit der Produktion von Schokolade. 1935 zieht die Firma von Bern nach Courtelary. Für den Standortwechsel gibt es triftige Gründe: Camille Bloch will keine vorgefertigte Schokolademasse mehr verwenden, sondern holt den ganzen Produktionsprozess ins Haus, schon ab Einkauf der Kakaobohne. Das braucht Platz, doch es fehlt das Geld, um zu bauen. Im Bener Jura findet Camille Bloch, was er sucht: ein leerstehendes Fabrikgebäude, das den hygienischen Standards genügt, und ein grosses Reservoir an industriellem Know-how.

Seinen eigenen Weg geht Camille Bloch auch in der Produktpolitik. Er entwickelt erstens mit Ragusa eine neue Schokoladengattung, zweitens steht er ausserhalb des damaligen Schokokartells, was ihm einen Preisvorteil verschafft. Drittens: Im Gegensatz zur Konkurrenz, wo der Herstellernahme für Produktbezeichnungen Pate steht (Toblerone), entscheidet sich Camille Bloch für die Städtenamen Ragusa und Torino.

Mut zur Zukunft
Dem Standort Courtelary ist das Unternehmen treu geblieben. Als in den 1960er-Jahren die Uhrenindustrie boomt und deswegen Personal nur mit Mühe zu finden ist, erneuert Camille Bloch sein Bekenntnis zur kleinen Gemeinde im Vallon de St-Imier. «Das war mutig», sagt Daniel Bloch. «Die Uhrenhersteller boten gute Konditionen und sogen fast den ganzen Arbeitsmarkt auf.»

Ein Bekenntnis zu Courtelary hat die Firma erst vor kurzem wieder abgelegt: Die Produktion soll ausgebaut werden, bis hin zu einer Verdoppelung der Kapazität. Das heutige Bürogebäude weicht einem Besucherzentrum, das pro Jahr bis 100 000 Leute empfangen kann, mit Erlebnisrundgang, Café und Shop. Auch das braucht Mut, denn der Nationalbankentscheid vom Januar, den Euro-Wechselkurs nicht mehr zu stützen, zwingt Camille Bloch dazu, das Bauprojekt anders als geplant zu finanzieren. Im Euroraum, dem Hauptexportmarkt, ist die Kaufkraft gegenüber dem Franken empfindlich gesunken. Hinzu kommt der Druck durch wachsende Importe. Dem stellt Daniel Bloch erprobte Rezepte entgegen: «Wir müssen auf unsere Stärken vertrauen, noch effizienter und innovativer sein.»

Daran hat es in den letzten Jahren nicht gefehlt, die Produktefamilie ist bunter geworden. Ragusa gibt es heute in verschiedenen Formaten und in drei Geschmacksnoten: klassisch, noir, blond. Warum blond? «Weiss schien uns zu langweilig.» Und so schuf man die Blondkategorie – als erster Schweizer Schokoladehersteller. «Andere haben das inzwischen nachgemacht», schmunzelt Daniel Bloch, der die grosse Konkurrenz gerne herausfordert. Dabei nutzt er die kurzen Entscheidungswege im Betrieb: Als der Marktanteil dunkler Schokolade nach oben schnellte, kam der Exportleiter angerannt und gab zu verstehen, man dürfe den Zug nicht verpassen. «Innert fünf Minuten entstand die Idee von Ragusa Noir.»

Publikumsnähe und nachhaltige Politik
Innert zehn Jahren hat die Produktion in Courtelary um 50 Prozent zugelegt. Neue Produkte habe neue Käufer gewonnen. Ragusa und Torino stehen seit 2013 in den Regalen der Migros. Erfolge, die Regula Gerber auch dem verjüngten Marketing zuschreibt, das weit über die Partnerschaft mit Lara Gut hinausgeht. Man ist präsent in den Social Media, produziert Schokolade an Publikumsmessen oder startet Aktionen wie die letztjährige «Ragusa Blond Rocks Tour», eine Roadshow durch neun Städte Baden-Württembergs. «Wir wollen zu den Leuten», sagt Regula Gerber.

Im März wurde Chocolats Camille Bloch vom Swiss Venture Club für den Prix SVC Espace Mittelland nominiert und holte Silber. Der Preis zeichnet vorbildliche KMU der Region aus. Vorbild sein – für Daniel Bloch bedeutet dies auch: «Profit steht bei uns nicht zuoberst, wir haben nie jemanden entlassen, als das Geschäft weniger gut lief.» Ins gleiche Kapitel fällt der Rohstoffeinkauf. Die Kakaobohnen stammen zur Hauptsache aus Ghana. Dort arbeitet Camille Bloch mit einer Partnerorganisation zusammen, welche die Rückverfolgbarkeit der Kakaobohnen bis ins Anbaugebiet sichert und im Land Infrastruktur- und Bildungsprojekte plant und umsetzt. Die Projekte werden von Chocolats Camille Bloch finanziert. Allein letztes Jahr hat das Unternehmen 600 Kakaobauern geschult. Regula Gerber: «Die Bauern lernen, ihren Ertrag nachhaltig zu steigern. Gelingt dies, sehen auch junge Leute eine Zukunft im Kakaoanbau, und darauf sind wir als Schokoladeproduzent angewiesen.»

Chocolats Camille Bloch in Kürze
Camille Bloch ist die Nummer 5 der Schweizer Chocolatiers mit einer Jahresproduktion von derzeit 3900 Tonnen. Im Sortiment sind nebst den Hauptmarken Ragusa und Torino Spezialitäten mit Likör- und Moussefüllung. Das Unternehmen zählt 180 Beschäftigte.

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