Textfalle: unklares Subjekt

Wer genau hat was getan? Diese Frage sollte jeder Text präzis beantworten. Doch manchmal geraten die Akteure durcheinander.

Haben Sie beim Lesen auch schon gestutzt, ohne genau zu wissen warum? Wenn ja, sind Sie vielleicht auf das Problem des unklaren Subjekts gestossen. Unklare Subjekte sind Lesestopper: Wir halten unvermittelt inne, weil wir spüren, dass etwas nicht ganz stimmt. Einige Beispiele aus der Schreibpraxis.

Wer droht wem?
Während des Gerichtsprozesses gegen den früheren bosnischen Serbenführer Radovan Karadzic titelte eine Tageszeitung: «Karadzic droht Pflichtverteidiger». Ein grammatisch korrekter, aber missverständlicher Satz. Grund: Es ist unklar, wer das Subjekt ist, also die handelnde Person. Karadzic droht Pflichtverteidiger. Der Leser könnte meinen, Karadzic habe dem Pflichtverteidiger gedroht. Falsch. Es war das Gericht, das «drohte», und zwar damit, einen Pflichtverteidiger einzusetzen, falls Karadzic weiterhin die Verhandlungen boykottieren würde (Karadzic weigerte sich, im Gerichtssaal zu erscheinen). Wie hätte man auf engem Raum den Titel klarer formulieren können? Zum Beispiel in Frageform: Pflichtverteidiger für Karadzic?

Wer streift durch Edinburgh?
Die gleiche Zeitung schrieb als Einführung zu einer Buchrezension: «Seinen langjährigen Krimihelden John Rebus hat Ian Rankin in Pension geschickt. Jetzt lässt der schottische Bestsellerautor einen trockenen Alkoholiker durch seine Heimatstadt Edinburgh streifen.» Worauf bezieht sich das Pronomen seine? Auf den Autor, auf John Rebus oder auf den Ex-Alkoholiker? Hier hätte man schreiben können: In Rankings neuem Roman streift ein trockener Alkoholiker durch Edinburgh, die Heimatstadt des Autors. Auch der Beginn der Buchrezension ist nicht ganz geglückt. Es wäre verständlicher, stünde das Subjekt am Satzbeginn. Der schottische Bestsellerautor Ian Rankin hat seinen langjährigen Krimihelden John Rebus in Pension geschickt.

Wer sucht den Nachfolger?
Beispiel aus einer Lokalzeitung: «Mit viel Herzblut und Engagement haben Kari (84) und Klara (79) Krebs über 30 Jahre den Skilift Gurnigelbad geführt. Viele hundert Kinder haben an ihrem Lift Skifahren gelernt. Nun suchen sie dringend einen Nachfolger.» Wer sind sie? Natürlich die ehemaligen Betreiber des Skilifts. Sie sind es – nicht die Kinder –, die einen Nachfolger suchen. Der Text bringt dies nur unklar zum Ausdruck.

Wer braucht wen nicht zu fürchten?
Aus einer Broschüre: «Albatrosse auf entlegenen, sturmumbrandeten Inseln brauchen die Menschen wenig zu fürchten.» Denkt man kurz nach, ist der Fall klar. Doch sollte man gar nicht nachdenken müssen. Auch hier verhindert der Satzbau eine schnelle, präzise Aussage.

Wer kennt wen?
Aus dem Magazin eines Tennisturniers: «Seit der Olympia-Goldmedaille an der Seite von Roger Federer kennt Stanislas Wawrinka auch in der Deutschschweiz fast jedes Kind.» Da hätte sich Wawrinka aber mächtig ins Zeug legen müssen, um all die Jungen und Mädchen kennenzulernen.

Lassen Sie den Text ruhen
Woran liegt es, wenn das Subjekt unklar ist? Häufig ist der Zeitdruck Schuld. Planen Sie Ihren Text frühzeitig. Schreiben Sie eine erste Version. Legen Sie diese ein paar Tage zur Seite. Nach der Pause werden Sie den Text mit anderen Augen lesen und damit auch Fehler und schwierige Passagen besser erkennen.

Details

Kategorie

Text

Stichwörter

Datum

Autor